Der Wecker klingelte um 7.00h, Karin war schon früher wach, ich habe bis 7.20h gebraucht, um den Übergang in die Welt der Lebenden zu vollziehen. Ich brauche dringend Urlaub vom Urlaub!
Das schöne Hotel Real überraschte beim Frühstück. Für uns war ein Tisch in der Empfangshalle gedeckt, wo alle Möbel pompös-herrschaftlich gestylt sind. Selbst der Flachbildfernseher an der Wand hat einen goldenen Schmuckrahmen. Das Frühstück selber holte die Rezeptionistin, die übrigens wirklich gut Deutsch spricht, hinter ihrem Tresen hervor und wir bekommen jeder ein schon mit Salami, Käse und Gurken fertig belegtes, flaches und leider ziemlich trockenes Baguettebrötchen, ein merkwürdig gefülltes Croissant und einen Handteller-großen Keks mit Schokoladenüberzug. Dazu eine Tasse Nescafe-Kaffee aus einem Automaten und ein Glas "Orangensaft", der eine merkwürdig klare, gelb gefärbte Flüssigkeit ohne einen Hauch von Orangengeschmack war (kam aus einem Behälter, wie sie an Bars und Kiosken zu finden sind, die gekühlt und ständig gerührt werden). Karin bekam davon genau einen Schluck runter, ich habe ihn aufgrund der Trockenheit des Brötchens erst nach dem zweiten Schluck als ungenießbar abgeschrieben. Anschließend haben wir unsere Sachen gepackt und haben ausgecheckt. Dabei hat uns die Rezeptionistin in ein Gespräch verwickelt, denn, wie sich rausstellte, hat sie Germanistik studiert (das hier ist sicherlich nicht ihr Traumjob) und hat eine Zeit lang in Frankfurt gelebt, kannte sogar (vom Durchfahren) Marburg. Sie schwärmte uns dann von Abanassi vor, wo Todor Schiwkow eine Villa mit bestem Blick auf Veliko Tarnovo hatte und wo sich neben dem Fußballstar Ballakoff inzwischen auch viele Engländer, Holländer und Dänen Immobilien kaufen (nach der Aussage der Rezeptionistin aber auch im restlichen Umland von Veliko Tarnovo). Wir haben ihr versprochen, uns Abanassi noch anzusehen und haben uns gefaßt gemacht, bei unserem nächsten Besuch hier zu gestehen, daß es dazu dann doch nicht mehr gekommen ist. 😉
Trotzdem war das Hotel eine gute Wahl: Die Betten waren wirklich gut, das Bad trotz leicht schiefen Türen der Duschkabine für bulgarische Verhältnisse in dieser Preisklasse (30,- € für das Zimmer inkl. Frühstück) sehr komfortabel. Und das wichtigste ist, daß die Klimaanlage sehr effektiv und dabei noch halbwegs leise arbeitete und dazu noch gut zu bedienen war.
Wir haben dann das Gepäck ins Auto geladen und sind die Hauptstraße, an der das Hotel Real liegt, einfach weiter nach links gefahren und so direkt auf den Vorplatz des Festungshügels Zarevez gelangt. Dort mußten wir das Auto leider in der schon um 10h stark bruzzelnden Sonne parken und haben bei der menschlichen Parkuhr ein Ticket für 2h erworben. Aber noch vorher sind wir schon von einer Frau angesprochen worden, die schon an das Autofenster klopfte, als wir noch nicht richtig standen. Sie versuchte uns in ihr Souvenirgeschäft mit einer Postkarte zu locken, auf der groß der Festungshügel und in einem kleinen Kasten ein Photo des Geschäftes abgebildet war. Wir haben dankend abgelehnt, bekamen dann von ihr eine diesern Karten geschenkt, falls wir doch noch Souvenirs bräuchten.
Danach kam der Parkticketverkäufer nochmal und hat uns zweifach darauf hingewiesen, daß nach Ablauf der Zeit der Wagen mit einer Kralle blockiert wird.
Der Zugang zum Festungshügel erfolgt über eine wirklich lange Rampe, die direkt beim Parkatz beginnt. Diese Rampe ist so lang, daß auf ihr noch eine Art Vortor mit Zugbrücke erbaut wurde, das mit der restlichen Verteidigungsanlage nicht verbunden ist. Schon hier, nach ca. 50-100m läuft mir der Schweiß in Strömen den Rücken runter, obwohl der Weg noch nicht nennenswert angestiegen ist.
Hinter dem Vortor kam eine sehr kindliche Show mit mechanisch bewegten Historien-Puppen und dazu eine bulgarische Erklärung. Uns hat das – abgesehen davon, daß wir es eh nicht verstanden haben – ziemlich abgeschreckt und so sind wir trotz animierenden Rufen des Betreibers schnell weitergegangen. Dahinter ging es dann über eine recht steile und sich windende Treppe den Berg rauf. Kurz vor der Bergspitze, auf der in früheren Zeiten der Palast des Patriarchen stand und in den 80er Jahren eine Kirche neu gebaut wurde, haben wir im Schatten Pause gemacht und die noch kühlen Wasservorräte reduziert. Nachdem wir ein wenig getrocknet waren, sind wir dann in die Kirche und so ungefähr direkt wieder umgedreht. Unser Führer (Baedeker) nannte den Stil modern-nüchtern, ich würde eher sagen, der Stil erinnert an Mordor. Dustere Gemälde mit überlangen Figuren, mehr konnte ich nicht erkennen.
An die Kirche war – für die bulgarischen orthodoxen Kirchen laut Führer eher untypisch – ein Kirchturm angebaut. Diesen konnte man gegen Entrichtung von 2Lev pro Person mit einem Aufzug "erfahren". Dort oben hatte man dann wirklich einen guten Blick auf die Hügel von Veliko Tarnovo, den Fluß und sogar auf Abanassi und die ehemalige Villa vom Diktator Schiffkov. Wir haben in alle Richtungen Photos gemacht und uns vom Fahrstuhlführer auch nochmal vor dem Panorama der Stadt photographieren lassen. Dann sind wir vom Turm und dem Festungshügel abgestiegen, diesmal aber nicht über die steile Treppe, sondern den langen Weg am ehemaligen Zarenpalast und Wirtschaftsgebäuden vorbei. Leider gab es im ganzen komplex nur wenige Erklärungstafeln und viele davon enthielten dann auch noch redundante Informationen (immerhin konnten wir noch irgendwo lesen, daß es auf dem Festungshügel insgesamt mal 22 Kirchen gegeben hat!). Wir haben uns beim Abstieg darüber unterhalten, daß mit einer besseren Information der Besucher – nach Möglichkeit mit Zeichnungen/Modellen der rekonstruktierten Gebäude – für diese der Besuch wesentlich informativer und unterhaltsamer wäre.
Kurz vor dem Vortor kam uns ein anderes Besucherpaar entgegen und hatte eindeutig Eintrittskarten in der Hand. Wir hatten uns schon vorher gewundert, wieso nirgendwo Eintrittskarten verkauft wurden. Als wir ans Ende der Rampe kamen, wurden wir von einer jungen Frau angesprochen, die fragte, ob wir für ihre Doktorarbeit ein paar Fragen über unseren Festungsbesuch beantworten würden. Hinter ihr sahen wir ein Häuschen mit dem Schild Kaca und einen Mann, der offensichtlich Eintrittskarten kontrollierte. Direkt nach der Beendigung des Interviews kam er auf uns zu und wollte unsere Karten sehen. Wir konnten dann natürlich nur gestehen, daß wir keine hatten und haben lediglich die Karten nachträglich noch erwerben müssen. Danach erwartete uns ein heftig aufgeheiztes Auto, bei dem ich anfangs das Lenkrad kaum anfassen konnte. Unser Navi hat uns dann auf teils merkwürdig kleinen Straßen und durch Orte, wo sicherlich nicht häufig Touristen durchfahren, über Grabovo und den Shipka-Paß, wo wir nochmal Pause gemacht und was gegessen haben, nach Kasanlak gebracht. Die Fahrt über den Paß war mit einigen sehr nette Ausblicken verbunden.
Vor Kasanlak konnten wir noch einige (> 20) der Grabhügel rechts und links der Straße entdecken. Bei Ankunft in Kasanlak haben wir als erstes das gleich am Ortseingang befindliche Rosenmuseum besucht. Wie wir dort erfahren mußten, war die Rosenernte leider schon vorbei (sie endet mit dem Rosenfest in der ersten Juniwoche).
Als nächstes machten wir uns auf die Hotelsuche (das nervigste an der Art, wie wir gerade reisen). Das vom Führer empfohlene Hotel gibt es nicht mehr und nach längerem Kreisen im Zentrum waren nur teurer oder geschlossene Hotels zu finden (das genaue Gegenteil von Veliko Tarnovo). Wir sind dann zu einem Hotel etwas weiter vom Zentrum gefahren, das wir am Anfang bei der Suche nach dem vom Führer empfohlenen von Weitem gesehen hatten. Das vor dem Hotel parkende Auto mit Westerwälder Kennzeichen eines Windradherstellers war schon mal ermutigend. Das angebotene Zimmer lag zwar unter dem Dach, aber sonst erfüllte das Zimmer alle unsere Ansprüche (noch halbwegs günstig = 60Lev, Frühstück, zwar keine Klimaanlage, aber wenigstens Klimagerät und freies WLAN). Wir haben nur schnell unser Gepäck abgestellt und sind dann gleich aufgebrochen, um noch das berühmte Grab von Kasanlak zu besuchen, das von der UNESCO als Weltkulturerbe eingestuft worden ist.
Wir haben an der Rezeption nach dem Weg gefragt, aber die Rezeptionistin konnte so wenig Englisch, daß sie uns nur die Richtung angeben konnte. Wir sind mit dem Auto losgefahren, haben aber schon nach 50m umgedreht, denn es stellte sich heraus, daß unser Hotel in unmittelbarer Nähe des Grabes liegt. Nachdem wir unseren Wagen wieder am Hotel abgestellt haben, sind wir zu Fuß den Katzensprung zum Grab rüber. Da wir bislang nur Staatsoberhäupter in spe und keine berühmten Archäologen sind, konnten wir uns nicht das Orginalgrab, sondern nur die Kopie besuchen. Aber auch die war mehr als beeindruckend. Die Bemalung innen war wirklich irre und für ihre Zeit wirklich sensationell: so wird zum Beispiel Dreidimensionalität durch die Nutzung von Licht und Schatten hervorgerufen, was ansonsten in der Malerei verloren gegangen und erst ungefähr im 17.Jahrhundert wiedererfunden worden ist. Besonders die Zeichnung einiger Pferde war super gelungen und jedes Pferd individuell gezeichnet.
Nach der ausgiebigen Besichtigung des Grabes haben wir uns erstmal im Hotel geduscht und frisch gemacht. Wir sind zum Essen in die Fußgängerzone im Zentrum gefahren. Wir hatten erst mal wieder Shopska-Salat und Karin dann eine Geflügelrolle mit Pilzen und anderem Gemüse gefüllt und ich hatte Pork Steak Hunters style, was nicht unserer Jägersauce entsprach, sondern einer wilden Gemüsemischung aus Gurken, Möhren, Pilzen, Schinken und noch einigem mehr. Dazu gab es breaded potatoes with cheese (in Bulgarien sehr gebräuchlich: Pommes mit darüber geriebenem Feta-Käse).
Die Nacht im Hotel stellte sich dann als sehr warm heraus, denn sobald man das laut lärmende Klimagerät ausschaltete, wurde es im Zimmer fast augenblicklich deutlich wärmer – für vernünftiges Schlafen eigentlich zu warm.
Posted from WordPress for Android on SE Xperia X10 mini pro