13./14.Tag Bulgarien: Kasanlak, Fahrt Richtung Sofia, Abflug

Heute ist unser letzter vollständiger Tag in Bulgarien – unglaublich, wie schnell zwei Wochen vergehen können! Unser Frühstück können wir leider nicht an einem der vielen freien Tische auf der Terrasse einnehmen, weil es für drinnen vorgesehen ist – na ja, immerhin gibt es eines. Anschließend geben wir noch unseren Schlüssel ab (bezahlt haben wir schon am Vorabend), dann machen wir uns auf die Suche nach dem Historischen Museum in der Ulitza Iskra. Offensichtlich sind die Ausschilderungen von Straßen (wie übrigens auch die sichtbare Darstellung von Hausnummern) in dieser Stadt etwas für Weichlinge, weshalb man komplett darauf verzichtet. Aber Dirk hat glücklicherweise Open Streetmap für Bulgarien aufs Handy geladen, sodaß wir nach einiger Zeit fündig werden.

Das Museum stellt sich als sehr interessant heraus. Es gibt Fundstücke aus allen Epochen, aber das Herzstück ist die Ausstellung zweier Grabfunde aus dem Jahr 2004 im „Tal der thrakischen Könige“, das in Anlehnung an das Tal der Könige in Ägypten wegen seiner zahlreichen Fürstengräber so genannt wird. In dem einen wurde eine massive Goldmaske gefunden, das andere, von Grabräubern unberührte konnte dem Thrakischen König Seuthes III aus dem 4. Jahrhundert v. u. Z. zugeordnet werden. Es war vermutlich ursprünglich eines der ältesten heute bekannten thrakischen Gotteshäuser, das erst nachträglich zum Grab des Königs gemacht wurde. Neben einem Schatz aus zahlreichen Trinkgefäßen, Waffen und goldenem Zubehör für Pferdegeschirre fand man dort auch einen einmaligen Kranz aus goldenen Blättern sowie den vor dem Grab bestatteten Bronzekopf des Herrschers, der offensichtlich zu diesem Zweck von einer Bronzestatue abgetrennt worden war.

Im Museum kann man eine verkleinerte Nachbildung diese Grabs sehen, sowie etliche der Fundstücke bzw. zum Teil (nicht immer besonders gute) Kopien davon. Unter anderem von dem Kopf hatten wir das Original bereits im Historischen Museum in Sofia gesehen. Er zeichnet sich durch eine sehr lebensgetreue Darstellung aus, bis hin zur genauen Widergabe einer durch eine Jochbeinfraktur hervorgerufenen Gesichtsasymetrie, wie ich im Internet nachlesen konnte.

Seuthes III hat die Stadt Seuthopolis gegründet, deren Ruinen 1948 nur wenige Kilometer von Kasanlak entfernt beim Bau eines Staudamms entdeckt wurden. Leider hat das damalige kommunistische Regime den Stausee trotzdem fertig bauen lassen, sodaß dieser seltene Fund einer thrakischen Stadt heute unter Wasser steht. Allerdings ist ein Projekt in Gang, die Ruinen der Stadt mittels eines Betonrings trockenzulegen. Hierzu kann man ebenfalls Darstellungen im Museum sehen.

Neben den Ausstellungsstücken aus den verschiedenen historischen Epochen findet man auch in diesem Museum, wie in praktisch jedem anderen welcher Art auch immer, eine Ikonenausstellung, die wir uns aber erspart haben.

Bevor wir uns auf den Weg Richtung Sofia machen, setzen wir uns auf die Terrasse eines Kaffees, um die letzten Postkarten zu schreiben. Altersmäßig fallen wir etwas aus dem Publikum heraus, denn die Tische sind überwiegend mit den teils ziemlich aufgebretzelten Kids neureicher bulgarischer Bürger besetzt, die hier offenbar nach der Schule ein, zwei Gläser picheln. Die Seife auf dem Klo dieser Bar riecht wenig überraschend nach Rosen.

Schließlich bringen wir die Postkarten zur Post und machen uns dann auf die letzte Etappe unserer Bulgarienrundreise. Der Weg führt uns am südlichen Fuß des Zentralen Balkangebirges entlang, auf dessen höchsten Gipfeln in ca. 2.300 m Höhe auch zu dieser Jahreszeit noch etwas Schnee liegt. Das Balkangebirge ist zwar nicht ganz so hoch, wie die Rhodopen mit ihren ihren bis zu 2.900 m hohen Bergen, ist aber nicht weniger beeindruckend. Uns fällt auf, dass dort, wo sich in den Alpen Almen und Almhütten finden würden, absolut keine Bewirtschaftung stattfindet, anders als im Sredna Gora Gebirge, das von Süden her immer Näher an uns heranrückt, bis es mit dem Balkan zusammentrifft. Ein Blick auf die Landkarte liefert die Erklärung: Der gesamte Zentral-Balkan ist ein Nationalpark.

Dort, wo die beiden Gebirge sich schon sehr nahe kommen, fahren wir kommen wir an einer Ansammlung von Häusern vorbei, bei deren Anblick ich spontan zu Dirk sage, dass das wohl Gebäude sind, in denen selbst hier bestimmt schon seit Jahren niemand mehr lebt. Beim Näherkommen stellen wir jedoch fest, dass auch diese Bruchbuden noch Menschen Unterkunft gewähren, offensichtlich Sinti oder Roma. Ein Stück weiter drehen wir um und fahren noch mal vorbei, um das zu Photographieren. Wir denken uns, dass uns das sonst kein Mensch glauben wird. Erst zurück in Deutschland, bei Durchsicht der Photos, sehe ich, dass an vielen dieser „Häuser“ Satelitenschüsseln befestigt sind…

Mehrmals kommen wir auch unterwegs wieder an Polizeikontrollen vorbei, vor denen wir von den Entgegenkommenden Autos gewarnt werden. Und hier warnt wirklich jeder. Die Polizisten, die mit kreisenden Schlagstöcken am Straßenrand stehen und nach Augenmaß Autofahrer herauswinken, scheinen hier keinen Spaß zu verstehen. Uns ist das schon mehrfach aufgefallen.

Da in den Ortschaften vor Sofia kein Hotel zu finden ist, fahren wir bis in die Hauptstadt rein und suchen uns eines in einem Industriegebiet. Auch gut, so haben wir es morgen nicht mehr weit zum Flughafen und brauchen uns morgens nicht so zu beeilen. Leider gibt es dort mal kein WLAN auf den Zimmern, aber dafür eine abgetrennte Dusche… und die Handtücher duften intensiv nach Rosen. Das Abendessen müssen wir an einem von zwei kleinen Tischen in einer Ecke der Lobby einnehmen, da das Restaurant für eine Hochzeit am nächsten Tag vorbereitet wird. Es steht auch nur eine einzige Karte zur Verfügung, die uns kurzerhand abgenommen wird, als ein weiterer Gast auftaucht. Aber es schmeckt gut, und der Mann im Empfang, der uns auch bedient, ist sehr nett und gut gelaunt. Er fragt uns, ob er den Sender des schräg oberhalb von uns an der Wand ständig laufenden Fernsehers wechseln darf, als dort die Nachrichten beginnen. „Only talking talking…“. Da wir eh kein Wort verstehen, ist uns das egal.

Nach dem Frühstück am nächsten Morgen, das natürlich ebenfalls in der Lobby stattfindet, lassen wir uns von unserem Navi zum Flughafen führen. Es wählt den seiner Meinung nach schnellsten Weg, der jedoch durch einen Slum führt und selbst für Sofioter Verhältnisse so viele Schlaglöcher aufweist, dass wir nur sehr langsam vorankommen. Er führt uns aber noch einmal auf eindrückliche Weise vor Augen, wie groß die Armut in diesem Land noch ist. Ich würde am liebsten etliche Photos machen, aber es sind viele Leute unterwegs, da finden wir es etwas unhöflich, hier ständig zu knippsen. Also beschränke ich mich darauf, eine Szene mit zwei Straßenhunden einzufangen, bei der man auch das Drumherum ganz gut sieht.

Übrigens gibt es selbst hier noch lauter Sleeping Policemen, obwohl man auch so auf diesen Straßen kaum voran kommt. Für die Dinger haben die Bulgaren offensichtlich eine große Vorliebe.

Mit reichlich Vorlauf kommen wir beim Flughafen an und geben unser Auto wieder ab. Wir sind so früh, daß der LH-Schalter fürs Checkin noch gar nicht geöffnet hat. Als wir schließlich den Flieger besteigen, komme ich neben einem Mann zu sitzen, der ganz offensichtlich an Flugangst und Übelkeit leidet, regelmäßig stöhnt und heftig nach Angst riecht. Ich bin froh, daß der Flug nicht so lange dauert.

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