(Noch kurz vorweg zum gestrigen Tag: So uninteressant waren die Museen gar nicht – fand ich zumindest :-))
Den heutigen Tag verbringen wir wieder überwiegend im Auto. Noch ein Frühstück in der gleichen Bäckerei wie am Vortag, dann geht es los. Das Hotel – das jetzt übrigens Star Hotel heißt – entsprach zwar nicht unseren Erwartungen, aber für j12,50 € pro Person pro Nacht in absolut zentraler Lage zu übernachten hat das wieder wett gemacht.
Der Weg führt zur Abwechslung mal nicht durchs Gebirge, sondern durch die Thrakische Ebene nach Osten in Richtung Schwarzes Meer. Auf der linken Seite begleitet uns auf dem gesamten Weg das Balkangebirge, rechts bleiben die Rhodopen bald zurück.
Den ersten Teil des Weges legen wir auf der Autobahn zurück, die eines Tages einmal durchs ganze Land von Sofia bis Varna gehen wird, aber jetzt endet sie auf der Höhe von Stara Sagora, wie auch schon auf unserer Karte von 2009. Stara Sagora sehen wir nur im Vorbeifahren: Ein häßlicher Ring von grauen Hochhäusern um die ältere Stadt. Eventuell kommen wir auf dem Rückweg noch mal hier her, um zwei guterhaltene Wohnhäuser aus dem 6. vorchristlichen Jahrhundert zu besichtigen, die hier gefunden wurden. Kommt darauf an, wie viel Zeit wir dann noch haben.
Die Ebene, durch die wir fahren, zeichnet sich durch riesengroße Felder aus, wie sie vermutlich in kommunistischer Zeit angelegt wurden. Zunächst sind es vor allem Weinfelder und Sonnenblumenfelder. Das muß wirklich toll aussehen, wenn all die gelben Blüten aufgegangen sind! Später überwiegt der Getreideanbau, und etwas, das aussieht wie Margaritenfelder, aber das können wir im Vorbeifahren nicht so genau erkennen. Und dazwischen sieht man immer mal wieder einen aufgegebenen, verfallenden Kolchosehof. Schließlich fängt die Autobahn wieder an – da, wo sie auch auf unserer Karte wieder anfängt.
Wir haben uns eigentlich vorgenommen, uns für die nächsten Tage an der Schwarzmeerküste ein Hotel zwischen Nessebar und Varna zu suchen und von dort Unternehmungen zu machen. Da wir jedoch gut durchgekommen sind, beschließen wir, Nessebar an diesem Nachmittag zu besichtigen und dann ein Zimmer bei Varna zu suchen. Das läßt uns zwar etwas wenig Zeit für diese auf einer Halbinsel gelegene Altstadt, die auf der UNESCO-Liste des Weltkulturerbes steht und auf der „sich kulturelle Zeugnisse mehrerer Jahrtausende“ konzentrieren, so unser Reiseführer, aber alles andere, das wir besuchen wollen, liegt um Varna herum. Eine weise Entscheidung, wie sich herausstellt. Denn hinter all den Souvenierständen, Eisverkäufern alle paar Meter und Massen an (zu gefühlt 50% Deutsch sprechenden) Touristen ist von der Stadt kaum etwas zu sehen. Ich möchte nicht wissen, wie das in der Hauptsaison aussieht. Wir laufen einmal durch, erstehen ein luftiges Hemd für mich und einen Hut als Sonnenschutz für Dirk, tun uns noch das Archäologische Museum an und fahren nach gerade mal zwei Stunden weiter. Es würde sich wahrscheinlich lohnen, dort im Winter mal durchzugehen.
Jenseits der Altstadt besteht Nessebar vor allem aus Hotelburgen unterschiedlich kitschiger Ausführung – von relativ neutral über burgartig mit Zwiebeltürmchen (vermutlich für die russische Kundschaft) bis zu einem Piratennest mit Schiff und Totenkopf über dem Eingang. Das setzt sich auf dem Weg nach Varna überall dort fort, wo sich die Straße direkt an der Küste entlangzieht. Und auch hier finden sich immer wieder Bauruinen, bei denen den Bauherren auf halbem Wege die Luft ausgegangen ist.
Zweimal windet sich die Straße aber auch weiter ins Landesinnere, wobei es teilweise recht steil bergauf und auch wieder bergab geht. Daß die großen Warnschilder an der Seite mit „starke Steigung, auf niedrigeren Gang schalten“ tatsächlich auf Deutsch sind, geht uns erst beim zweiten Nachdenken auf. Dirk schlägt als Erklärung vor, daß es die vielleicht billig bei ebay zu ersteigern gab. 🙂
Kurz vor Varna biegen wir Richtung Küste ab und versuchen, ein Hotel zu finden. An der Straße, auf die wir abgebogen sind, treffen wir aber erst mal nur auf Prostituierte, die dort im Abstand von ein- bis zweihundert Metern vermutlich auf Freier warten, die sie mit in eines der Hotels in Varna oder am Goldstrand nehmen. Ein Hotel finden wir nicht und fahren weiter durch Varna hindurch. Auf der anderen Seite der Stadt beginnt bald besagter Goldstrand.
Hier gibt es sowas wie Hotel-Reservate: Hinter einer bewachten Schranke reiht sich Hotel an Hotel, um so teurer, je näher man dem Strand kommt. Einige der Hotels haben noch mal ihre eigene Schranke und eigene Bewacher. Aus diesen „Reservaten“ braucht man während des Urlaubs nicht heraus kommen, wenn man das nicht will.
Wir entscheiden uns nach längerem Suchen für das Hotel „Horizont“, das eben außerhalb einer solchen Schranke liegt. Es hat einen Pool und – es gibt Frühstück! 🙂 Und es kostet uns nicht mal die Hälfte von dem, was das günstigste Hotel innerhalb der Schranke haben wollte.
Ein paar Einschränkungen gibt es natürlich schon. Z. B. hat das Zimmer leider keine Klimaanlage, und das Badezimmer treibt das Konzept der Duschkabine mit Waschbecken und Klo so konsequent auf die Spitze, daß es nicht mal mehr etwas zum Aufhängen der Handtücher oder des Klopapiers gibt (das man in diesem kleinen Raum vor dem Duschen eh rausstellen muß).
Das Gebäude stammt eindeutig aus der Vorwendezeit, weshalb z. B. die Zimmertüren so schief in den Angeln hängen, daß man bei geschlossener Tür fast einen Finger durch den zum Türrahmen verbleibenden Spalt stecken kann, was die allgemeine Hellhörigkeit nicht verbessert. Aber wir haben einen Balkon, der zwischen Bäumen und einem weiter unten liegenden Hotel einen Blick auf das Schwarze Meer gestattet. 🙂 Und vor allem: Die Leute sind mal wieder super nett! Da wir recht spät angekommen sind, ist das Restaurant schon geschlossen. Die Besitzerin entschuldigt sich vielmals dafür und empfiehlt uns ein Restaurant ein paar hundert Meter weiter. Dort wird aber auch gerade geschlossen, immerhin ist es schon zehn Uhr, wofür sich der Besitzer ebenfalls vielmals auf ziemlich gutem Deutsch entschuldigt. Wir versichern ihm, daß das kein Problem ist und daß wir bestimmt einen Abend kommen und sein selbst gebackenes Brot probieren werden. Auf dem Rückweg zum Hotel finden wir uns innerlich damit ab, daß wir wieder mit Vorräten aus dem Rucksack werden Vorlieb nehmen müssen. Das aber lassen die Besitzer nicht zu. Mutter und Tochter setzen uns auf die Terrasse, entschuldigen sich dafür, daß es uns leider nicht schmecken wird, denn der Koch sei nicht mehr da und man könne uns nur noch etwas aufwärmen, dann tischen sie uns eines der leckersten Essen auf, daß wir bisher bekommen haben, bestehend aus Fleisch, gewüztem Reis, Schaskäse und Brot, Tomaten und Peperoni in Öl und den knackigsten und geschmackvollsten Gurken, die wir je gegessen haben. Sie wachsen in einem Ort um die Ecke.
So kommen wir doch noch mit einem gut gefüllten Magen ins Bett, und wir brauchten nicht mal etwas dafür zu bezahlen. Und noch ein entscheidender Vorteil unseres Hotels wird jetzt deutlich: In der Entfernung bei den anderen Hotels hören wir laute Musik, begleitet von lärmenden deutschen Touristen, die „Berlin, Berlin, wir gehen nach Berlin!“ und ähnliche Kleinodien der deutschen Sangeskunst grölen.
Den Wecker stellen wir für den nächsten Morgen etwas später, denn wir wollen den Tag einfach mal entspannen.