4.Tag Bulgarien: Roschinski-Kloster, Melnik

(Von Karin)

Ich werde mich jetzt auch mal an der Erstellung dieses Reisetagebuches beteiligen. Es gibt so viel zu erzählen, da werden wir uns abwechseln.

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Unser Tag beginnt heute mit nichts als einem Kaffee zum Frühstück (mehr gibt es in unserem Hotel leider nicht, dafür ist der Kaffe aber so gut wie offenbar überall hier in Bulgarien). Danach fahren wir erst mal Richtung Melnik los, um vor einem ausführlicheren Frühstück ein paar Kilometer zu machen. Der Weg führt durch eine ausgesprochen malerische Schlucht, an deren Ende wir in eine Landschaft kommen, die mit ihren Zypressen an die Mittelmeergegend erinnert – was nicht verwunderlich ist, denn die griechische Grenze ist von hier nicht mehr weit entfernt. Auch die Temperaturen sind ziemlich mediterran. Zum Glück findet sich hier auch ein Möglichkeit, zu frühstücken, denn so langsam wird mein Hunger ziemlich spürbar und meine Laune sackt in den Keller 🙂

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Auf der weiteren Fahrt nach Melnik warten ein paar spektakuläre Aussichten auf uns. Was aber ebenfalls auffällt, ist der heruntergekommene Zustand aller Ortschaften, durch die wir kommen. Häuser, bei denen man bei uns davon ausgehen würde, daß dort schon eine geraume Weile niemand mehr lebt, sind hier noch selbstverständlich bewohnt. Das hier und da mal ein Haus – oder auch nur eine Wohnung in einem mehrstöckigen Haus – von außen saniert worden ist, macht den traurigen Zustand der übrigen Gebäude um so deutlicher.

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Es ist auch kaum etwas zu erkennen, von dem die Menschen hier groß leben könnten: Ab und zu ist ein einsames Feld mit Wein zu sehen, immer wieder außerdem sehr große Gewächshäuser, aber ansonsten ist bis auf ein paar Ziegenherden an Landwirtschaft nichts zu finden. Industrie gibt es offenbar überhaupt keine.

 

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Bevor wir das in fantastisch aufragende Sandsteinfelsen eingebettete Melnik, Bulgariens kleinste Stadt, besichtigen, fahren wir in das nahegelegene Roschinski-Kloster. Im Vergleich zum Rilskikloster gestern ist es eher einfach, aber ausgesprochen idyllisch mit einem Hof, der von einem 300 Jahre alten Wein überrankt ist. Die Kirche in der Mitte ist aber genauso vollständig mit Wandmalereien ausgemalt und mit Gold und Ikonen geschmückt wie alle orthodoxen Gotteshäuser, die wir bisher gesehen haben.

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Als wir hineingehen, ist gerade eine Taufe in Gange. Ein junger Priester mit dem typischen langen Vollbart, zu Dutt gefaßten langen Haaren und langer schwarzer Kutte liest ungerührt in schnellem Tempo eine endlose Litanei, während von allen Seiten die Familie – inklusive eines muskelbpackten Onkel mit Muscel-Shirt – gerührt die Zeremonie filmt und photographiert und das ununterbrochen schreiende Kind den von Oma gereichten Schnuller empört wieder ausspuckt. Das Kleine muß aber offenbar auch einiges mitmachen. Neben dem Wasser, das es natürlich auf den Kopf bekommen hat, schneidet der Priester ihm ein paar Haarsträhnen ab, die er ins Taufbecken wirft. Was vor unserem Dazukommen noch gelaufen ist, weiß ich nicht, aber auf dem Tablett, auf dem auch die Schere fürs Haareschneiden liegt, entdecken wir nach Beendigung der Zeremonie noch diverse andere Utensilien wie Seife und Flaschen mit welchem Inhalt auch immer.

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Als wir anschließend Melnik besichtigen wollen, setzen das Gewitter und der Regen ein, die sich bereits eine Weile angekündigt haben. Also warten wir den schlimmsten Niederschlag im Auto ab und essen dann erst mal in einem der Lokale etwas zu Mittag. Mit dem bulgarische Essen haben wir bisher eher weniger gute Erfahrungen gemacht: Sehr typisch scheinen sowas wie Eintöpfe zu sein, die aus Reis, Gemüse und mehreren Sorten Fleisch bestehen und in kleinen Keramik-Töpfchen mit Deckel serviert werden. Was uns dabei gar nicht gefallen hat: In jedem dieser Gerichte waren mit dem Fleisch auch der Knorpel und z. T. sogar Knochenstückchen reingeschnitten worden, was ich persöhnlich eher widerlich finde.
Im Lokal in Melnik allerdings gibt es – passend zur eher schon griechischen Musik – auch mazedoniche Spezialitäten. Wir probieren "Makedonska Gosba", und es ist ausgesprochen lecker. Dazu bestelle ich einen der Weine, für die Melnik bekannt ist – ist okay – und zum Nachtisch "Baklava", eine von Zucker und Fett triefende Teigrolle, wie man sie auch vom Türken kennt – ist gar nicht mal unlecker, aber eine heftige Kalorienbombe. 🙂

Danach, der Regen hat mittlerweile fast aufgehört, erkunden wir die kleine Stadt. In Melnik leben heute nur noch wenige hundert Menschen, aber Ende des 19. Jahrhunderts waren es mal 20.000. In jener Zeit staffelten sich die Häuser so dicht übereinander an den Berghängen, daß zwischen ihnen kaum zwei Lastesel aneinander vorbei paßten. Das läßt sich auch heute noch gut erkennen, wenn auch lange nicht mehr alle Häuser stehen.

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Wie überall laufen auch in Melnik Straßenhunde und solche, die einen Besitzer haben, im Ort herum. Einer von letzteren, ein weißer spitzartiger Hund, schließt sich uns an und bemüht sich, uns zu einem Spaziergang zu überreden, indem er uns in Richtung Wanderweg zum Kloster voranläuft, sobald wir andeutungsweise diese Richtung einschlagen. Immer wieder dreht er sich um, um zu schauen, ob wir ihm folgen, was wir auch eine Weile tun. Aber für einen längeren Spaziergang ist keine Zei mehr und wie kehren um. Daher geht auch Kilroy – so haben wir ihn für uns getauft – zurück in den Ort auf der Suche nach jemand anderem, der mitkommt.

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Für uns ist es höchste Zeit, weiterzufahren, um noch ein bißchen Strecke zu machen, ehe wir uns ein Hotel suchen. Wir staunen ein wenig über den Vorschlag unseres Navis – es geht wieder Richtung Roschinski-Kloster, und wir haben vorhin den Eindruck gehabt, daß die Straße dort endet, aber da wir vorhin das letzte Stück zum Kloster zu Fuß zurückgelegt haben, haben wir so genau ja nicht darauf geachtet. Oben angekommen jedoch sollen wir in etwas einbiegen, was möglicherweise zur Zeit des osmanischen Reiches mal eine Straße war und uns spontan zum Umkehren animiert. Immerhin sind wir aber auf diese Weise noch in den Genuß eines fantastischen Sandsteinfelsen-Panoramas gekommen, das uns sonst entgangen wäre.

 

Die laut Karte nächste Möglichkeit besteht aus einer Ansammlung von Schlaglöchern mit hier und da ein wenig Straße dazwichen. Auch hier verzichten wir lieber und entscheiden uns, die km-mäßig längere Strecke zu wählen, die jedoch auf der Karte als breitere Straße eingezeichnet ist.

Was wir vorfinden, ist zunächst eine Straße mit immerhin mehr Straße als Schlaglöchern. Hier kommen uns auch andere Fahrzeuge entgegen – sogar dicke Luxuskarossen einschlägiger deutscher Fabrikate, wie sie uns hier überall immer wieder sogar in heruntergekommenen Gegenden begegnen. Das läßt hoffen. Und tatsächlich wird die Fahrbahn fürs erste nicht schlimmer, und wir werden lediglich von einer ganz alleine nach Hause laufenden Ziegenherde, die von drei Schafen angeführt wird, aufgehalten und von großartigen Panoramen, die uns hin und wieder anhalten lassen. Dann aber geht es wieder mitten rein ins Piringebirge, und diesesmal geht es nicht auf gut ausgebauter Straße durch eine Schlucht, sondern auf einer von Schlaglöchern gezierten Asphaltpiste über einen geschätzte 1.500 m hohen Paß. Ein großteil der Strecke ist für Ausbesserungsarbeiten aufgerissen und nötigt uns, langsam und in Schlangenlinien zu fahren. Daß es direkt neben der Fahrbahn meist steil bergab geht, Leitplanken hier jedoch überwiegen für überflüssig erachtet werden, macht die Fahrt noch etwas abenteuerlicher. Ganz oben auf dem Paß sehen wir am Straßenrand zwei Welpen, die uns neugierig entgegenlaufen, als wir aussteigen. Wir ringen eine Weile mit uns, wie wir mit der Situation umgehen sollen, beschließen dann aber, die Kleinen zu lassen, wo sie sind. Sie sehen wohlgenährt aus und scheinen in einer Art Höhle unter Steinen zu leben. Tatsächlich begegnen uns nur ein-, zweihundert Meter weiter zwei erwachsene Straßenhunde, und noch ein Stück weiter kommen wir durch eine Ansiedlung.

Im weiteren Verlauf ist die Straße bereits ausgebessert. Trotzdem brauchen wir für die 68 km bis Gotse Deltschev insgesamt gut 2,5 Stunden. Die Fahrt durch die Stadt macht uns noch einmal auf erschütternde Weise deutlich, wie verbreitet die Armut hier ist, und wie perspektivlos es sein muß, hier aufzuwachsen. Es ist nicht erstaunlich, daß manche Menschen ihr Kind lieber in ein Kinderheim geben.

Da es jetzt schon so spät ist, beschließen wir, nicht mehr weiterzufahren, sondern uns hier eine Übernachtungsmöglichkeit zu suchen. Zuvor decken wir uns mit Wasser und Müsliriegeln für die morgige Fahrt ein (wir haben dafür die Wahl zwischen einem Lidl und einem Penny Markt). Das Hotel, das wir finden, liegt etwas außerhalb der Stadt und scheint abendlicher Treffpunkt der gehobenen Gesellschaft von Gotse Deltschev zu sein. Es gibt einen Pool und einen kleinen Bolzplatz, und auf der Terasse spielt bis Mitternacht laute Musik. Aber die Betten sind hier mal etwas breiter als 80 cm, und der Preis (40 Leva – also 20 EUR – ohne Frühstück für zwei Personen) ist absolut bezahlbar. Frühstück gibt es hier, wir schon im letzten Hotel, nicht automatisch.

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